Na gut, zumindest von meiner Seite aus. Ob sie mich auch so bezeichnen würde, kann ich nicht sagen. Aber eines weiß ich sicher: Marie Kondo hat vor vielen Jahren mein Leben grundlegend verändert.

Ich war ein richtiger Chaot. Meine Wohnung sah oft so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Bücher, Klamotten und unzählige Kleinigkeiten stapelten sich überall. Es war nicht nur das sichtbare Chaos, das mich belastete, sondern auch das Gefühl, dass dieses Chaos einen inneren Widerhall in mir erzeugte. Der Grund? Ich hatte schlicht zu viel Zeug und zu wenig Platz. Mein Versuch, immer mehr Regale zu kaufen, half auch nicht weiter. Das Problem war nicht der Mangel an Stauraum, sondern dass ich einfach zu viele Dinge hatte, die ich nicht wirklich brauchte. Der Überfluss an Gegenständen führte dazu, dass ich mich in meiner eigenen Wohnung unwohl fühlte und das Gefühl hatte, von Krempel erdrückt zu werden.

Die Unordnung wirkte sich nicht nur auf mein Wohnumfeld aus, sondern auch auf meine geistige Klarheit und mein Wohlbefinden. Ich fühlte mich oft müde und antriebslos, als ob das Chaos meine Energie förmlich aufsaugte. Ich hatte so viele Dinge, die ich behalten hatte, weil ich dachte, ich könnte sie irgendwann noch brauchen. Dinge, die mir irgendwann einmal nützlich erschienen, die aber im Laufe der Zeit ihre Bedeutung verloren hatten. Inmitten dieser Unordnung fiel es mir schwer, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren oder mich wirklich zu entspannen. Ich hatte das Gefühl, dass ich ständig von all dem Zeug um mich herum abgelenkt war. Ein Gefühl, als ob mich die Dinge besitzen würden, anstatt dass ich sie besaß.

Dann stolperte ich eines Tages über Marie Kondos Buch. Es war ein unscheinbarer Moment, der rückblickend zu einem echten Wendepunkt für mich wurde. Ihre Methode, jedes Objekt in die Hand zu nehmen und sich zu fragen, ob es Freude bereitet, hat mich zum Umdenken gebracht. Es war ein einfacher, aber zutiefst wirkungsvoller Gedanke. Statt mich zu fragen, ob ich etwas vielleicht irgendwann noch gebrauchen könnte, fragte ich mich plötzlich, ob es mich glücklich macht. Das war eine völlig neue Art, über die Dinge in meinem Leben nachzudenken.

Es geht nicht nur darum, physische Ordnung zu schaffen, sondern auch um die innere Klarheit, die daraus entsteht. Das Loslassen von Gegenständen, die keine Bedeutung mehr für uns haben, schafft Platz für das, was wirklich wichtig ist. Dieser Prozess war anfangs schwierig, denn viele Dinge waren mit Erinnerungen verbunden, und der Gedanke, sie wegzugeben, fühlte sich an wie ein kleiner Verlust. Doch mit der Zeit merkte ich, dass diese Gegenstände nicht wirklich meine Erinnerungen ausmachten und dass ich auch ohne sie genauso gut weiterleben konnte. Erinnerungen sind nicht an Gegenstände gebunden, sondern sie leben in uns weiter. Diese Erkenntnis gab mir den Mut, mich von noch mehr Dingen zu trennen.

Seitdem miste ich jedes Jahr aus. Es ist zu einer Art Ritual geworden, das ich bewusst pflege. Jedes Jahr nehme ich mir ein Wochenende, das ich dem Ausmisten widme. Dabei gehe ich systematisch durch jeden Raum, jede Schublade, jeden Schrank. Dieses Jahr waren es 10 Schredder-Füllungen und 7 Müllsäcke. Und jedes Mal fühlt es sich unglaublich befreiend an. Es schafft nicht nur physische Ordnung, sondern auch mentalen Raum, Platz für Neues und Klarheit im Kopf. Das jährliche Ausmisten bringt mich dazu, mein Leben zu reflektieren und mir bewusst zu machen, welche Dinge mich wirklich glücklich machen. Ich nehme mir Zeit, durch meine Sachen zu gehen, und jedes Mal überrascht es mich, wie viel sich im Laufe eines Jahres ansammelt, obwohl ich denke, achtsam mit dem Konsum umzugehen. Es ist, als würden sich Dinge fast von selbst vermehren.

Das Ritual des Ausmistens ist für mich zu einer Art inneren Reinigung geworden. Wenn ich meine Wohnung von unnötigem Ballast befreie, dann befreie ich auch meinen Geist. Es ist ein Akt der Selbstfürsorge. Während ich die Dinge durchgehe, stelle ich mir oft Fragen wie: „Warum habe ich das überhaupt gekauft?“ oder „Warum habe ich das so lange aufbewahrt?“ Diese Fragen führen mich oft zu überraschenden Erkenntnissen über mich selbst. Manchmal finde ich heraus, dass ich Dinge aus einem Gefühl der Unsicherheit oder des Mangels heraus behalten habe. Ich habe sie behalten, weil ich dachte, sie könnten mir irgendwann ein Gefühl der Sicherheit geben. Doch die Wahrheit ist: Je mehr Dinge ich um mich herum hatte, desto erdrückender wurde das Gefühl.

Das Ausmisten hat mich gelehrt, bewusster zu konsumieren. Ich kaufe nicht mehr Dinge, nur weil sie gerade im Angebot sind oder weil ich denke, dass sie mich kurzfristig glücklich machen könnten. Stattdessen frage ich mich, ob dieses Ding wirklich einen langfristigen Wert in meinem Leben haben wird. Diese Einstellung hat dazu geführt, dass ich weniger kaufe, dafür aber gezielter und mit mehr Freude. Ich habe gelernt, dass weniger oft mehr ist. Weniger Dinge zu besitzen bedeutet nicht weniger Fülle im Leben, sondern oft genau das Gegenteil: mehr Raum für das, was wirklich wichtig ist.

Dieser Prozess hilft mir, Ballast abzuwerfen und mich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt. Das Gefühl, am Ende eines solchen Wochenendes in eine aufgeräumte, luftige Wohnung zu treten, ist einfach unbeschreiblich. Es fühlt sich an, als könnte ich endlich wieder tief durchatmen. Auch mental gibt es mir einen Neustart, eine Art von Klarheit, die mir hilft, mich auf meine Ziele und Prioritäten zu fokussieren. Ich merke, wie mich das Ausmisten jedes Jahr ein Stück weit verändert. Es ist ein innerer Reinigungsprozess, der mir hilft, mich weiterzuentwickeln. Ich lasse nicht nur Gegenstände los, sondern auch alte Glaubenssätze, Erwartungen und Ängste. Jedes Jahr fühle ich mich ein wenig leichter, freier und lebendiger.

Marie Kondos Methode hat mir gezeigt, dass es nicht nur darum geht, aufzuräumen, sondern sich bewusster mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen und Entscheidungen darüber zu treffen, was bleiben darf und was nicht. Sie hat mich gelehrt, dass Aufräumen eine Möglichkeit ist, den eigenen Lebensweg zu reflektieren und sich neu auszurichten. Es geht darum, mein Leben bewusster zu gestalten und mich von dem zu verabschieden, was mich belastet. Platz zu schaffen für das, was wirklich zählt. Denn am Ende sind es nicht die Dinge, die unser Leben bereichern, sondern die Erfahrungen, die wir machen, und die Menschen, die uns umgeben. Das jährliche Ausmisten ist für mich zu einer Erinnerung geworden, dass ich mich immer wieder fragen sollte, was mir wirklich wichtig ist und ob das, was ich um mich habe, mir dabei hilft, das Leben zu führen, das ich mir wünsche.

Interessanterweise lässt sich diese Methode nicht nur auf das Aufräumen der Wohnung anwenden, sondern genauso gut auf andere Bereiche unseres Lebens. Besonders hilfreich ist dieser Ansatz in der Arbeit mit Produkten, Backlogs und Aufgabenlisten. In meiner Rolle als Coach und Berater habe ich festgestellt, dass das Prinzip des „Freude Bereitens“ auch bei der Priorisierung von Aufgaben einen großen Unterschied machen kann. Wenn wir uns fragen, welche Aufgaben wirklich zur Freude der Kunden oder zum Erfolg des Produkts beitragen, schaffen wir eine Art mentale Ordnung. Es geht darum, das Produkt-Backlog von unnötigem Ballast zu befreien, damit die wirklich wertvollen Features klar zum Vorschein kommen können.

In der Arbeit mit Teams sehe ich oft überfüllte Backlogs, die wie chaotische Speisekammern voller „was-wäre-wenn“-Features wirken. Wenn wir jedoch das Prinzip der Klarheit und des bewussten Loslassens anwenden, stellt sich schnell heraus, welche Aufgaben tatsächlich Wert schaffen und welche nur den Fokus verwässern. Es geht nicht darum, mehr zu tun, sondern das Richtige zu tun – genauso, wie es beim Ausmisten meiner Wohnung nicht darum geht, mehr Dinge unterzubringen, sondern nur das zu behalten, was wirklich zählt. Indem wir unseren Backlog regelmäßig „ausmisten“, schaffen wir Platz für Innovation und ermöglichen es dem Team, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Ähnlich verhält es sich mit Aufgabenlisten. Viele von uns neigen dazu, immer mehr Aufgaben auf die To-do-Liste zu setzen, bis wir uns davon überwältigt fühlen. Auch hier kann das bewusste Loslassen einen großen Unterschied machen. Welche Aufgaben bereiten Freude? Welche bringen uns wirklich voran? Und welche sind einfach nur unnötiger Ballast, der uns daran hindert, effektiv zu sein? Die Kraft des bewussten Ausmistens hilft uns, unsere Energie auf das zu lenken, was wirklich zählt, und nicht nur auf das, was dringend erscheint.

Dieser Prozess hat mir auch gezeigt, dass es Mut braucht, sich von Altem zu trennen, aber dass dieser Mut am Ende belohnt wird. Die Leichtigkeit, die entsteht, wenn der Ballast endlich weg ist, ist unbeschreiblich. Sie gibt mir die Freiheit, neue Erfahrungen zu machen, Neues zu lernen und mich auf die Zukunft zu freuen. Es ist ein Prozess des Loslassens und der Neuausrichtung, der mir jedes Jahr aufs Neue ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit schenkt. Es ist ein immerwährender Kreislauf des Loslassens und des Neuanfangs, der mein Leben nachhaltig bereichert hat.

Marie Kondo und ich – vielleicht sind wir wirklich Freunde. Zumindest hat sie mir beigebracht, dass mein Zuhause, meine Aufgaben und mein Backlog ein Ort der Ruhe und Freude sein können, wenn ich sie bewusst gestalte. Und dafür bin ich ihr zutiefst dankbar.