Es begann mit einem Geräusch. Dieses leise Summen, das mein Handy von sich gab, wenn eine Nachricht hereinkam. Tagsüber fiel es kaum auf, es war ein ständiger Begleiter – ein Hintergrundrauschen, das ich schon fast nicht mehr wahrnahm. Doch abends oder nachts, wenn alles still war, hörte ich es mit einer Intensität, die mich wach machte. Ich war darauf trainiert, sofort zu reagieren, wenn das Signal kam. Pawlow in Reinform. Und irgendwann fiel mir auf, dass es nicht nur mein Handy war, das summte – es war auch mein Kopf. Mein Gehirn war in einem permanenten Alarmmodus. Ich konnte mich nicht entspannen, weil mein Unterbewusstsein jederzeit mit einer neuen Meldung rechnete. Ich war auf Abruf, ohne es wirklich zu merken.
Ich war immer erreichbar. Immer. Es fühlte sich an wie eine unausgesprochene Regel, die ich mir selbst auferlegt hatte. Wenn das Team Fragen hatte, war ich da. Wenn die E-Mail mitten in der Nacht kam, antwortete ich am Morgen noch vor dem ersten Kaffee. Wenn jemand an einem Sonntag eine Idee teilte, reagierte ich darauf. Was ich nicht bemerkte, war, dass ich dabei meine eigene Grenze längst überschritten hatte. Ich war nicht nur für andere da – ich hatte mich selbst aus dem Blick verloren.
Der Moment der Erkenntnis kam, als ich im Urlaub war und meine Partnerin mich darauf hinwies, dass ich mehr Zeit auf mein Handy starrte als auf das Meer vor mir. Es war dieser Satz: „Bist du überhaupt hier?“ Ich hörte ihn, und etwas in mir brach. Natürlich war ich nicht wirklich dort. Ich war überall, nur nicht in der Gegenwart. Ich war bei allen, aber nicht bei mir! Ich begann nachzudenken. Wie konnte ich in einer Welt leben, in der ich mich selbst nicht mehr wahrnahm? Wann war es passiert, dass meine eigenen Bedürfnisse hinter die ständige Erreichbarkeit für andere gerückt waren? Und warum hatte ich es so lange ignoriert?
Als ich zurückkam, beschloss ich, etwas zu ändern. Ich begann mit einem radikalen Schritt: Alle Alarme, Klingeltöne und Benachrichtigungen auf meinem Handy wurden deaktiviert. Kein Piepsen, kein Klingeln, kein Banner, das aufploppte, wenn eine Nachricht eintraf. Ich setzte mir klare Erreichbarkeitsfenster und kommunizierte sie offen mit meinem Team und meinen Kontakten. Und dann wartete ich auf die Reaktionen. Tatsächlich gab es anfangs Unverständnis. „Warum antwortest du nicht sofort?“ „Hast du meine Nachricht nicht gesehen?“ Doch es war eine bewusste Entscheidung, die ich nicht rückgängig machen wollte. Ich musste lernen, meine Zeit zu schützen.
Es fühlte sich anfangs seltsam an – fast wie ein Kontrollverlust, und es stieß nicht überall auf Gegenliebe. Viele waren meinen Service gewohnt und wollten nicht auf die schnelle Reaktionszeit verzichten. Doch schon nach wenigen Tagen merkte ich, wie viel ruhiger mein Kopf wurde, was mich bestätigte und mir Mut gab, diesen Kurs weiterzufahren. Ich begann, mehr zu lesen, mich mit meiner Familie auszutauschen und vor allem bewusster zu leben. Und plötzlich fiel mir auf, wie oft ich vorher nur halb anwesend gewesen war – körperlich da, aber geistig abwesend.
Das Schwierigste war, die Erreichbarkeit auch für mich selbst zu akzeptieren. Ich dachte, ich müsste ständig verfügbar sein, um meinen Job gut zu machen. Doch die Wahrheit war: Meine ständige Präsenz nahm meinem Team die Möglichkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen. Und sie nahm mir die Luft zum Atmen. Ich erkannte, dass gute Führung nicht bedeutet, immer verfügbar zu sein – sondern klar zu kommunizieren, wann man erreichbar ist und wann nicht. Indem ich Grenzen setzte, gab ich meinem Team den Raum, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Und ich erkannte: Sie kamen wunderbar zurecht.
Heute bin ich nicht mehr Sklave meiner Klingeltöne. Und wenn ich abschalte, dann richtig. Denn ich habe gelernt, dass digitale Erreichbarkeit kein Zeichen von Stärke ist – sondern von Stress, den man sich selbst macht. Inzwischen genieße ich es, mein Handy für Stunden beiseite zu legen und echte Gespräche zu führen. Mein Kopf ist freier, meine Gedanken klarer. Ich bin präsenter in meinem Leben. Und das hat alles verändert.
Führung beginnt bei dir!
Grüße Michaelus
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