„Ich hab doch keine Zeit!“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gesagt oder gehört. Zeit ist eine knappe Ressource, und wenn man mitten im Alltag steckt, scheinen die Stunden nur so dahin zu fliegen. Gerade deshalb ist es eine Herausforderung, neue Gewohnheiten zu etablieren, die zusätzlich Zeit in Anspruch nehmen. Man hat den Eindruck, dass jeder neue Baustein im Tagesablauf unweigerlich eine andere Aktivität verdrängen muss. In einem hektischen Leben, das von Terminen, Verpflichtungen und ständigen Aufgaben geprägt ist, wirkt es nahezu unmöglich, noch etwas „Extra“ unterzubringen – selbst wenn dieses „Extra“ das eigene Wohlbefinden steigern könnte.
Genau vor dieser Hürde stand ich auch, als ich mich entschloss, Achtsamkeit in meinen Alltag zu integrieren. Ich habe von den positiven Effekten der Achtsamkeitspraxis gehört und gelesen: Stressreduktion, mehr innere Ruhe und Klarheit, besserer Umgang mit Emotionen. Alles klang wunderbar und wünschenswert, aber ich fragte mich: „Wann soll ich das noch machen?“ Mein Terminkalender war voll, meine Tage durchgetaktet. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich zwischen all den Verpflichtungen noch Platz für Achtsamkeitsübungen finden sollte.
Dann wurde mir klar, dass es nicht darum geht, zusätzliche Zeit zu schaffen. Es geht vielmehr darum, Achtsamkeit in den bereits bestehenden Alltag zu integrieren. Ich musste meine Vorstellung davon, was Achtsamkeit ist und wie sie praktiziert wird, an meine Realität anpassen. Es geht nicht unbedingt darum, eine halbe Stunde still auf einem Kissen zu sitzen und zu meditieren. Es geht auch darum, die Momente, die bereits vorhanden sind, bewusst zu nutzen. Es ist möglich, Achtsamkeit in kleine Lücken einzubauen, die sich im Laufe eines Tages ergeben – Momente, die sonst ungenutzt verstreichen, wie das Warten an der Bushaltestelle oder die Zeit im Fahrstuhl. Ich erkannte, dass es nicht darum ging, mehr Zeit zu haben, sondern die vorhandene Zeit bewusster zu nutzen.
Ein guter Ansatzpunkt war für mich der Weg zur Arbeit. Mein Fitnessstudio liegt praktischerweise direkt auf dem Weg, sodass ich morgens problemlos ein kurzes Training einbauen kann, ohne Umwege oder zusätzlichen Zeitaufwand. Diese Routine gibt mir bereits am Morgen das Gefühl, etwas Gutes für mich getan zu haben. Auch meine morgendliche Meditation habe ich in meine bestehende Morgenroutine integriert, sodass ich dafür keine zusätzliche Zeit einplanen muss. Beides hat mir gezeigt, dass es möglich ist, neue Gewohnheiten zu etablieren, ohne den Tagesablauf völlig umzukrempeln.
Aber wie sieht es während der Arbeit aus, wenn der Termindruck wächst und die Deadlines drängen? Auch hier habe ich einen Weg gefunden, Achtsamkeit in den Arbeitsalltag zu integrieren. Ich habe meine regelmäßigen Mitarbeiterbesprechungen in sogenannte „Walk & Talks“ umgewandelt. Die Idee ist denkbar einfach: Statt in einem stickigen Konferenzraum zu sitzen, treffen wir uns draußen und gehen zusammen spazieren. Die ersten Minuten verbringen wir dabei schweigend. Jeder hat die Möglichkeit, die Gedanken des Vormittags oder des vorangegangenen Meetings loszulassen und zur Ruhe zu kommen. Diese Minuten der Stille wirken Wunder. Sie schaffen eine Atmosphäre, in der jeder bei sich selbst ankommen kann, bevor wir ins Gespräch einsteigen. Die Bewegung und die frische Luft helfen, den Kopf freizubekommen und die Gedanken in Schwung zu bringen. Zudem fördert der Ortswechsel, weg vom Schreibtisch und raus ins Grüne, eine ganz andere Qualität der Kommunikation. Wir sprechen offener, entspannter, kreativer. Die Bewegung scheint nicht nur den Körper, sondern auch den Geist in Bewegung zu bringen.
Dieser kleine, aber wirkungsvolle Trick hat mir gezeigt, dass Achtsamkeitspraxis nicht zwangsläufig bedeutet, still zu sitzen und die Augen zu schließen. Es geht auch darum, die alltäglichen Tätigkeiten mit einer bewussteren Haltung anzugehen. Die Verbindung von Bewegung und Achtsamkeit hat für mich eine völlig neue Qualität in die Meetings gebracht. Die Atmosphäre ist gelöster, die Gespräche sind produktiver und ich selbst fühle mich danach energiegeladener, als wenn ich die gleiche Zeit am Schreibtisch verbracht hätte.
Ein weiteres Beispiel dafür, wie ich Achtsamkeit in meinen Alltag integriert habe, sind kleine Pausen während der Arbeitszeit. Früher war ich es gewohnt, Pausen schnell und funktional zu gestalten. Ein Kaffee, ein Blick aufs Handy, vielleicht ein kurzer Plausch mit Kollegen. Doch das half mir kaum, den Kopf freizubekommen. Oft fühlte ich mich nach diesen „Pausen“ genauso gestresst wie zuvor. Nun nutze ich diese Pausen bewusster. Ich gehe an die frische Luft, atme tief durch, versuche meine Gedanken zu beruhigen und mich auf den Moment zu konzentrieren. Schon ein paar Minuten reichen oft aus, um mich wieder zu zentrieren und mit neuer Energie an die Arbeit zu gehen. Es geht nicht darum, lange Auszeiten zu nehmen, sondern die vorhandenen Pausen sinnvoll zu nutzen, um Kraft zu tanken und wieder in den Moment zurückzufinden.
Auch die Zeit, die man sonst als „Wartezeit“ betrachtet, bietet sich an, um Achtsamkeit zu üben. Ob im Auto an der roten Ampel, an der Bushaltestelle oder im Aufzug – diese kleinen Zwischenstopps im Alltag, die sonst oft als lästig empfunden werden, lassen sich hervorragend nutzen, um ein paar bewusste Atemzüge zu nehmen, sich zu sammeln und den Fokus wieder auf das Hier und Jetzt zu richten. Es sind diese scheinbar unscheinbaren Momente, die eine große Wirkung haben können, wenn man sie bewusst wahrnimmt und nutzt.
Achtsamkeit bedeutet für mich, bewusst zu erleben, was gerade ist. Das kann beim Zähneputzen sein, beim Essen oder beim Gehen. All diese Tätigkeiten führen wir oft gedankenlos aus, weil sie zur Routine geworden sind. Doch wenn man sie bewusst angeht, wenn man sich auf die Empfindungen konzentriert, die sie auslösen – den Geschmack der Zahnpasta, das Gefühl des Wassers auf der Haut, die Schritte auf dem Boden – dann wird der Moment zu etwas Besonderem. Man ist präsent, aufmerksam, und plötzlich hat das, was vorher banal und alltäglich schien, eine neue Tiefe. Diese Achtsamkeit hilft mir, den Tag bewusster zu erleben, weniger in Gedanken verloren zu sein und mehr im Moment zu leben.
Ein weiteres Ritual, das ich in meinen Alltag integriert habe, ist die bewusste Beendigung eines Arbeitstages. Früher war ich oft bis zum letzten Moment im Arbeitsmodus, schrieb noch schnell eine E-Mail, telefonierte mit einem Kollegen oder machte mir Gedanken über die Aufgaben des nächsten Tages. Das führte dazu, dass ich nach Feierabend nur schwer abschalten konnte und mich oft gestresst und erschöpft fühlte. Jetzt nehme ich mir am Ende eines Arbeitstages ein paar Minuten Zeit, um den Tag bewusst abzuschließen. Ich schreibe eine kurze Notiz über das, was ich erreicht habe, was mir gut gelungen ist und was ich am nächsten Tag in Angriff nehmen möchte. Danach atme ich ein paar Mal tief durch und stelle mir vor, wie ich den Arbeitsstress hinter mir lasse. Diese kleine, aber wirkungsvolle Übung hilft mir, den Kopf freizubekommen und den Feierabend wirklich zu genießen.
Achtsamkeit ist für mich ein Weg, mich selbst besser kennenzulernen und die kleinen Freuden des Alltags bewusster wahrzunehmen. Sie ist eine Möglichkeit, den oft hektischen und stressigen Alltag zu entschleunigen und dem Leben mehr Tiefe und Bedeutung zu geben. Es geht nicht darum, den gesamten Tagesablauf umzukrempeln oder stundenlang zu meditieren. Es geht darum, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, bewusster zu leben und den Moment zu schätzen. Das ist es, was Achtsamkeit für mich ausmacht: die Fähigkeit, das Leben in all seinen Facetten wahrzunehmen, die kleinen Dinge zu schätzen und die Ruhe inmitten des Trubels zu finden.
Natürlich gelingt es mir nicht immer, achtsam zu sein. Es gibt Tage, an denen ich mich von den Anforderungen des Alltags überwältigen lasse, an denen ich hetze, funktioniere und die Achtsamkeit vergesse. Doch das ist in Ordnung. Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, immer wieder neu zu beginnen, immer wieder in den Moment zurückzukehren und sich selbst die Erlaubnis zu geben, es einfach zu versuchen. Achtsamkeit ist ein Prozess, eine Reise, die nie endet. Sie ist die Einladung, das Leben mit offenen Augen zu sehen, mit einem offenen Herzen zu erleben und den Moment in seiner ganzen Fülle zu erfahren.
Ich habe gelernt, dass Achtsamkeit nicht etwas ist, das man einmal erlernt und dann beherrscht. Sie ist eine tägliche Praxis, ein ständiges Üben und ein immer wieder Neues Entdecken. Manchmal fällt es leicht, manchmal schwer. Aber je mehr ich übe, desto leichter fällt es mir, in stressigen Situationen innezuhalten, einen Schritt zurückzutreten und mich zu sammeln. Diese Fähigkeit, auch in schwierigen Momenten die Ruhe zu bewahren, ist für mich der größte Gewinn der Achtsamkeitspraxis. Sie hilft mir, mich weniger von den äußeren Umständen beeinflussen zu lassen und mehr in meiner eigenen Mitte zu bleiben.
Die Integration von Achtsamkeit in meinen Alltag war für mich eine der wertvollsten Veränderungen, die ich in den
letzten Jahren vorgenommen habe. Sie hat mir geholfen, bewusster zu leben, mich selbst besser zu verstehen und den Moment mehr zu schätzen. Es sind die kleinen, bewussten Pausen, die mir helfen, mich immer wieder neu zu zentrieren und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Achtsamkeit ist für mich nicht nur eine Praxis, sondern eine Lebenshaltung, die mir zeigt, dass das Leben in seiner ganzen Fülle und Schönheit immer genau hier und jetzt stattfindet.
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